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Geert Keil: Willensfreiheit. (Grundthemen Philosophie). Walter de Gruyter, Berlin / New York 2007. ISBN 13: 978-3-11-019561-3. 222 S., 19,95 €.
Beim Problem der Willensfreiheit handelt es sich dem Autor zu Folge um einen explizit philosophischen Topos (S. 1). Die philosophische Beschäftigung mit der Themenstellung ergibt sich schon allein deshalb, weil bei weitem nicht von vornherein klar ist, wovon die Rede ist, wenn wir von Freiheit, erst recht von Willensfreiheit sprechen. Eine Komplikation erfährt die Diskussionslage durch die Einbeziehung des Leitbegriffes »Determinismus«, der in unterschiedlicher Weise verwendet und zum Begriff der Freiheit in Beziehung gesetzt wird (vgl. einleitend S. 6-14). Entsprechend bemüht sich der Autor um eine philosophische Klärung der verwendeten Begriffe. Eine Schlüsselrolle kommt dabei der gründlichen Auseinandersetzung mit dem Schlagwort Determinismus zu. Keil weist in überzeugender Weise auf dessen oftmals unreflektierte Annahme und die damit gegebenen Implikationen hin, insbesondere die problematische Verquickung von Determinismus mit Naturgesetzlichkeit und Kausalität.
Davon ausgehend nimmt Keil diejenigen Konzeptionen kritisch ins Auge, die versuchen, einen zum Determinismus kompatiblen Freiheitsbegriff zu formulieren, dabei aber keinen zureichenden Begriff freien Handelns und Entscheidens entwickeln, der nach Ansicht Keils stets die Annahme offener alternativer Handlungsmöglichkeiten erfordert. Letzteres tun zwar libertarische Freiheitskonzeptionen, deren zentrale Argumente allerdings hält Keil aufgrund eines ebenfalls ungenügenden Handlungsbegriffs für unbefriedigend.
Nachdem der Leser über einige »Mythen« (Kap. 4.4) den Libertarismus betreffend sowie über Grundprobleme des gerne geübten Vorwurfs, libertarische Freiheitsbegriffe hätten nur noch mit dem Zufall zu tun (Kap. 4.5), aufgeklärt wurde, präsentiert Keil in Kap. 5 seine eigene Position eines »fähigkeitsbasierten Libertarismus«. Deren zentrale Komponente besteht in der menschlichen Fähigkeit, eine Entscheidung zu suspendieren und weiter zu überlegen sowie zwischen Alternativen entscheiden zu können.
Abschließend hat der Autor keine Mühe, Angriffe auf ein philosophisches Freiheitsverständnis von Seiten empirischer Wissenschaften abzuwehren. Es wird vor allem deutlich, dass zahlreiche vermeintlich abgesicherte Argumente aufgrund unreflektierter theoretischer Rahmenannahmen und Vorurteile ein philosophisches Verständnis von Freiheit nicht treffen können.
Insgesamt bietet der Band eine äußerst gelungene Einführung in das Problemfeld »Willensfreiheit«, die jedem Interessierten zur Lektüre zu empfehlen ist. Insbesondere weist der Autor mit bemerkenswerter Klarheit auf die strukturellen Defizite der aktuellen Diskussion hin und trägt damit zur Klärung einer nicht immer durchsichtigen Debatte bei. Die pointiert dargestellte eigene Position lädt den Leser zum kritischen Weiterdenken ein.
Benedikt Bruder
Heinzpeter Hempelmann: Nach der Zeit des Christentums. Warum Kirche von der Postmoderne profitieren kann und Konkurrenz das Geschäft belebt. Brunnen Verlag, Gießen 2009. ISBN 978-3-7655-1431-9. 175 S., 14,95 €.
Wenn es um eine kritische Zeitanalyse geht und was die Kirche daraus lernen kann, ist man bei Heinzpeter Hempelmann immer wieder an einer „guten Adresse“. Schon seit seiner Dissertation begleitet ihn die Frage nach der Postmoderne. Mit Spannung liest man sich in das vorliegende Buch ein, geht es doch nicht darum, die heutige Zeit zu beklagen, sondern die Postmoderne als „Riesenchance“ (17) für eine missionarische Christenheit zu entdecken. In drei Teilen wird der Stoff bewältigt: 1. Worin bestehen die heutigen Veränderungen? 2. Welche Chance bieten sie für den christlichen Glauben? 3. Wie können Christen angemessen reagieren? Durchaus überraschend beginnen die Ausführungen mit Friedrich Nietzsche und seinem Postulat vom Tod Gottes als „Triumph der Individualität“ (20), indem für den Menschen jeglicher „Horizont, der Orientierung ermöglicht“ (21), weg ist. Ergebnis ist ein Wahrheitspluralismus, der eine „Wahrheit als überindividuelle Größe“ (35) nicht mehr denken lässt. Der Konflikt mit dem christlichen Glauben ist somit programmiert, weil er eine von außerhalb des Individuums kommende – geoffenbarte – Welt- und Lebensdeutung postuliert. Gleichzeitig ist das Aufkommen unterschiedlicher Fundamentalismen in einem allgemeinen postmodernen Lebensgefühl nur folgerichtig: „Postmoderner Horizontverlust und fundamentalistischer Verzicht auf kritische Rationalität bedingen einander und sind nur zwei Seiten derselben Medaille“ (59). Wird man also im ersten Teil ausführlich mit Beispielen aus allen nur erdenklichen Lebensberei-chen in die Situation und das Dilemma der postmodernen Wirklichkeit geführt, so ist man gespannt, wie sich der Vf. nun die Chance des christlichen Glaubens in dieser Lage vorstellt. Nach wiederum ausführlicher Beschreibung der kirchlichen Reaktionen auf die moderne Wirklichkeit (postmoderner und fundamentalistischer Ausprägung), wird zunächst die Chance zur Befreiung beschrieben. Dabei geht es, sich von – aus der Moderne – aufgenötigten Fragestellungen und (vernünftigen) Rechtfertigungsgründen des christlichen Glaubens zu befreien und zum Wesentlichen, nämlich zu der dem Menschen in Liebe begegnenden Gott in Jesus Christus, zurück zu finden. Die Aussage „Über Kontextualisierung des Evangeliums [in die Postmoderne] steht dann aber sogar eine mehrfache Verheißung“ (108) macht neugierig. Die „Göttin ,Vernunft'“ (113) in der Postmoderne destruiert zu wissen (112), ist als „Chance“ noch leicht nachvollziehbar. Wie aber wird die Aufgabe gelöst, dass im postmodernen Destruktivismus die sog. „Großen Erzählungen“ als umfassende Welt- und Lebensdeutung zurückgewiesen werden (J.-F. Lyotard), und gleichzeitig das Christentum als eine dieser „Großen Erzählungen“ erscheint (119)? Im Prinzip wird bei der Beantwortung der Frage auf zwei Dinge verwiesen: Anthropogene „Große Erzählungen“ sind als (hoffnungslose) Utopien entlarvt (120f), und die Hochschätzung des Individuums in der Postmoderne ist durch die Wahrnehmung der „Individualität des Menschen durch den Gott der Liebe“ (124) schon längst vorgenommen. Im Rahmen dieser Ausführungen finden sich eine Reihe von interessanten (auch provokativen!) Überlegungen zur Neubewertung mancher christlicher Traditionen der christlichen Lebensgestaltung. Wie aber wird, nach einem steilen gedanklichen Aufstieg, der Ausblick in Teil III („Kirchen, Christen, Christus in der Postmoderne: Zwölf Impulse“) beschrieben? Um es vorwegzunehmen: Beim ersten Lesen und der – geweckten – hohen Erwartung einer (gegenüber der Modernen) neuen Konkretion missionarischer Existenz von Kirche lässt sich eine gewisse Enttäuschung nicht verleugnen. In den zwölf Thesen wird nichts vorgestellt, was man auch schon gewusst hätte, wenn man die ausführliche Beschreibung der Postmoderne und die Kontextualisierung des Christentums in dieser nicht gelesen hätte. Im Wesentlichen geht es darum, dass sich christlicher Glaube bei nichtchristlichen Menschen nicht durch Argumente, sondern durch existentielle Erfahrungen plausibilisiert, anders gesagt: die Liebe des „heruntergekommenen Gottes“ (139), der in Christus den Menschen begegnet, wird durch das Leben der Christen prolongiert und proklamiert (148). Man wird nicht bis in die vorkonstantinische Zeit des Christentums zurückgehen müssen (vgl. 93f), um diesen Weg des christlichen Zeugnisses als den „erfolgreichsten“ wahrzunehmen. Allerdings relativiert sich diese „Enttäuschung“ beim zweiten Hinsehen: Der Weg des die Liebe Gottes bezeugenden Lebens der Christen ist essentiell für den christlichen Glauben – egal in welchem gesellschaftlichen oder philosophischen Rahmen man lebt. Deshalb kann sich hierin auch auf dem Weg von der Moderne zur Postmoderne im Grundsatz nichts ändern. Wenn der Vf. Mut macht, gerade als Christ die Wirklichkeit der Postmoderne zu akzeptieren, dann hat er weniger diejenigen im Blick, die sich – auch als Christen – ohnehin darin eingerichtet haben, sondern vielmehr solche, die (noch) gewohnt sind, anderen „Großen Erzählungen“ gegenüber den christlichen Glauben plausibel zu machen, also selbst sehr stark in den Kategorien der Moderne zu denken. Die Stärke lässt sich dort ausmachen, wo es hilft, den entscheidenden Punkt zu finden, an dem der christliche Glaube in der scheinbar vorhandenen Falle zwischen pluralistischer Beliebigkeit und Fundamentalismus verortet werden kann: nämlich in der Erkenntnis, dass er von der Erfahrung der Gottesbegegnung herkommt – und damit keine durch menschliches Denken hervorgerufene „Große Erzählung“ ist. Die Schwäche des Buches zeigt sich m.E. darin, dass eine zu divergente Leserschaft angenommen wird: Wenn einerseits Mut gemacht wird, sich auf steile philosophische „Bergpfade“ zu begeben, werden Leser angesprochen, die erst noch vom Nutzen eines steilen Anstieg überzeugt werden müssen (vgl. 18); diese mögen – wenn sie denn durchhalten – enttäuscht sein, denn so furchtbar aufregend scheint die Aussicht nicht zu sein. Die Schlussimpulse sind alle richtig, aber keineswegs wirklich neu. Für den philosophisch einigermaßen Interessierten, der mit den modernen Anfragen an den christlichen Glauben „kämpft“, ist der Anmarschweg zu lang. Es finden sich zu viele Redundanzen und Wiederholungen. Lässt man sich davon aber nicht zu sehr beeindrucken, bringt das Buch eine ganze Reihe wichtiger Anstöße zur Zeit- und Gesellschaftsanalyse, aber „anstößig“ (so OKR Werner Baur im Vorwort) wird man das Buch kaum nennen können. Dazu müsste es wirklichen Widerspruch provozieren. Dieser ist aber weder von denen zu erwarten, die vornehmlich an den Impulsen für die Praxis interessiert sind, noch von denen, die nach Moderne und Postmoderne und ihrem Verhältnis zueinander fragen. Aber noch einmal: Anstöße zum eigenen fruchtbaren Weiterdenken und Diskutieren gibt das Buch reichlich und ist deshalb allemal lesenswert.
Klaus vom Orde
Das kreative Universum. Naturwissenschaft und Spiritualität im Dialog. Ein Film von Rüdiger Sünner. DVD-Video, absolut Medien GmbH 2011. 83 Min., 18,99 €.
In dem Dokumentarfilm „Das kreative Universum“ macht sich Rüdiger Sünner auf die Suche, was außer Zufall und kalter Kausalität noch hinter dem Kosmos stecken könnte. Etwas überraschend steigt der Film mit dem Untertitel „Naturwissenschaft und Spiritualität im Dialog“ mit Bildern von den Anschlägen des 11. September 2001 ein. An diesem Tag sei die Spannung zwischen der von Wissenschaft und Technik geprägten westlich-säkularen Welt und der Religion explodiert, heißt es. Diese Spannung möchte Rüdiger Sünner mit seinem Film in den folgenden 80 Minuten abbauen helfen. Seit Dezember tourt „Das kreative Universum“ durch ausgewählte Kinos (Terminübersicht: http://bit.ly/fw74oa) und ist auf DVD zu kaufen (dazu und für weitere Infos: http://www.daskreativeuniversum.de). Vom Urknall über die Entstehung des Lebens bis zu Sinn- und ethischen Fragen zeichnet der Film, unterlegt von oft meditativ ruhigen Bildern und Grafiken, Stationen der kosmologischen und biologischen Evolution nach. Dann lässt Sünner insgesamt 14 Forscher – Naturwissenschaftler, die sich nicht mit einem reduktionistischen Weltbild begnügen – in langen Interviewpassagen sinnieren, wie sie die jeweiligen Erkenntnisse aus übergeordneter Perspektive interpretieren. Erfreulich ist dabei, dass der Film nach der Einleitung ohne die beim Thema Glaube und Wissenschaft übliche Polarisierung auskommt. Die Interviewpartner wirken moderat, Vertreter unversöhnlicher Extrempositionen bleiben außen vor. Trotzdem – und auch wenn die Interviewten durchweg über Mitte 50, weiß und männlich sind – handelt es sich um eine schillernde Schar: Neben Christen hat Sünner Anthroposophen, Sympathisanten des Buddhismus und Vertreter einer naturzentrierten Spiritualität befragt. Darunter sind auch durchaus namhafte Forscher wie der Träger des alternativen Nobelpreises Hans-Peter Dürr, der Physik-Professor und anglikanische Priester John Polkinghorne oder der Neurobiologe Joachim Bauer, Autor des Buches „Das kooperative Gen“. Das breite Spektrum kann man als Stärke sehen: Die These, dass Naturwissenschaft keinesfalls zu einem dogmatischen Naturalismus führen muss, bekommt so breite Unterstützung. Allerdings blendet Sünner die spezifischen Glaubensüberzeugungen seiner Experten weitgehend aus. Im Presseheft schreibt er, es gehe nicht um einen fertigen Gottesbegriff oder gar um die Bestätigung traditioneller Glaubensdogmen: „Spiritualität kann gerade entstehen, wenn es bei nicht fixierbaren Ahnungen von etwas Größerem bleibt, die uns jedoch innerlich weit und gleichzeitig bescheiden machen.“ Aus christlicher Sicht schade ist, dass dadurch Fragen etwa nach Gebet, Gottes Handeln und Ewigkeit außen vor bleiben. Verhängnisvoll ist aber, dass im Zuge der weltanschaulichen Unentschiedenheit auch kategorial verschiedene Aussagen über einen Kamm geschoren werden: Naturwissenschaft und philosophische Reflexion, persönliche Motivationen und Glaubensüberzeugungen, Mythen und esoterische Pseudowissenschaft fließen unterscheidungslos ineinander. So wird etwa, mit Blick auf die Wechselwirkungen der Elementarteilchen, der Satz „Der Grund der Welt besteht letztlich nur aus Beziehungen“ als Essenz der naturwissenschaftlichen Erkenntnis verkauft – und damit die Grenze zwischen Teilchenphysik und Sinnaussagen mutwillig verwischt. Später stellt der Film unbestreitbare Wissenslücken über die Entstehung des Lebens neben anthroposophisch motiviertes Raunen darüber, wie Wasser – „von allen Elementen vielleicht das geheimnisvollste“ – in seinen Strömungsmustern schon die Urformen allen Lebens enthalte. Unterm Strich nivelliert „Das kreative Universum“ damit Wissenschaft und Esoterik: Auf der einen Seite seriöse Forscher, die fest auf dem Boden der etablierten Naturwissenschaft stehen, im Gegensatz zu manchen Kollegen aber auch eine weitere, metaphysische Reflexionsebene für fruchtbar halten; auf der anderen Seite etwa der anthroposophische Wasserforscher Wolfram Schwenk oder der durch die „morphischen Felder“ bekannt gewordene Rupert Sheldrake – Forscher also, die sich aus dem methodologischen Konsens verabschiedet haben, um gemeinhin als pseudowissenschaftlich eingestufte Ideen zu verfolgen. Damit bietet der Film viel Angriffsfläche für berechtigte Kritik – trotzdem noch die anderen Stimmen wahr- und ernst zu nehmen, setzt einiges Wohlwollen voraus.
Ulrich Pontes
Richard Dawkins: Der Gotteswahn. Ullstein Verlag, 2007. geb., 574 S. ISBN-10: 3550086881, ISBN-13: 978-3550086885. € 22,90.
Der religiöse Glaube ist ein Wahn, also eine dauerhaft falsche Vorstellung, an der trotz starker, entgegengesetzter Belege festgehalten wird. Diese schon aus seinen früheren Werken bekannte These führt der Evolutionsbiologe Richard Dawkins in seinem neuesten Buch „Der Gotteswahn“ auf mehr als 500 Seiten aus. Mit diesem Buch möchte er die Leser ermutigen, die Religion ihrer Eltern hinter sich zu lassen und sich zum Atheismus zu bekennen. Dem Leser wird erklärt, Religion hätte zu viel Bösem und nichts Gutem geführt, Gottes Existenz sei eine wissenschaftlich überprüfbare und mit größter Wahrscheinlichkeit falsche These, die angeblichen Belege für den Glauben seien extrem schwach, der Gott des Alten Testaments sei ein „psychotischer Übeltäter“ (S.55) und Moralgesetze, die man mit dem gesunden Menschenverstand aufstellt, seien viel vernünftiger als die 10 Gebote. Der Streit um die Mohammed-Karikaturen, Fernsehprediger, die ihre Zuschauer manipulieren, Ärzte mordende Abtreibungsgegner, ein begabter junger Naturwissenschaftler, der sich im Konflikt zwischen Bibel und Wissenschaft für die Bibel entscheidet und die Wissenschaft wider besseres Wissen aufgibt, das jüdische Kind, das seinen Eltern durch die katholische Kirche zum Zweck christlicher Erziehung weggenommen wurde — all diese extremen Beispiele dienen zur Illustration der angeblich schädlichen und irrationalen Auswirkungen der Religion. Richard Dawkins bezieht sich hauptsächlich auf die drei großen monotheistischen Religionen und dabei am meisten auf das Christentum, aber er stellt klar, dass er sich grundsätzlich „gegen Gott, alle Götter, alles Übernatürliche, ganz gleich wo und wann es erfunden wurde oder noch erfunden werden wird“, wendet (S.53). Die Wahl des Wortes „erfunden“ an dieser Stelle, ebenso wie die oben zitierte Charakterisierung des alttestamentlichen Gottes sind zwei Beispiele für die dieses Buch durchziehende polemische Sprache. Weitere Kostproben sind die „scheinheilig-heuchlerische Mutter Theresa“ (S.406) und „religiöse, ansonsten aber intelligente Wissenschaftler“ (S.152).
Nach Dawkins‘ eigener Aussage ist das zentrale Argument des Buches das „Argument der Unwahrscheinlichkeit“, das im vierten Kapitel ausgeführt wird: Komplizierte Dinge können nicht durch Zufall entstehen, denn die Wahrscheinlichkeit hierfür ist viel zu gering. Hierin ist sich Dawkins übrigens mit den Kreationisten und den Vertretern des „Intelligent Design“ einig. Aber während die letzteren daher die „gezielte Gestaltung“ von Lebewesen oder komplexen Organen postulieren, verweist Dawkins auf Darwinsche natürliche Selektion als den Mechanismus, der nachweislich Komplexität erzeugen kann. Das Gestaltungsargument hingegen widerlegt sich seiner Meinung nach selbst: Wenn ein Gestalter nötig ist, um komplexe Dinge zu erklären, dann muss dieser Gestalter noch viel komplexer sein als die von ihm geschaffenen Dinge. Damit stellt sich das noch viel größere Problem, wie ein solch unwahrscheinliches Wesen wie der Gestalter entstanden sein kann. Bei dieser Argumentation setzt Dawkins unausgesprochen voraus, dass alles Existierende durch einen natürlichen Prozess aus etwas Einfachem entstanden sein muss. Einfache Bausteine der Materie in Verbindung mit Naturgesetzen sind in dieser Ansicht die letzte Realität, aus der alles andere abzuleiten ist, auch Gott ?wenn es ihn gibt. Der christliche Glaube, ebenso wie jede theistische Weltanschauung, geht aber vom Gegenteil aus, dass Gott die letzte Realität ist und dass alles andere, einschließlich Materie und Naturgesetze und der daraus resultierenden natürlichen Entwicklungsprozesse, von ihm hervorgerufen wurde.
Auch an anderen Stellen des Buches zeigt sich Dawkins‘ naturalistisches Weltbild: die einzigen Erklärungen, die er akzeptiert, sind wissenschaftliche Erklärungen. Daher spielt er auch natürliche Prozesse und Gottes schöpferisches Handeln gegeneinander aus, statt sie als zwei verschiedene Erklärungsebenen gelten zu lassen. Glaubenserfahrungen sind für ihn auf Prozesse im Gehirn zurückführbar, Religionen sind ein Nebeneffekt der (einen Überlebensvorteil bringenden) Regel, als Kind auf die Erwachsenen zu hören. Auch unser Moralgefühl hat einen darwinistischen Ursprung. Über all diese Punkte kann man diskutieren, und es gibt gute Bücher, die überzeugend die christliche Sicht dieser Dinge darlegen. Aber über andere Punkte des Buches kann man sich einfach nur ärgern, weil sie schlichtweg falsch sind: Darüber, dass „Glauben“ von Dawkins wieder einmal mit einem Festhalten an Dogmen trotz entgegengesetzter Belege gleichgesetzt wird, dass er die vier Evangelien als „mehr oder weniger willkürliche“ Auswahl aus einer größeren Zahl bezeichnet (S.134), und dass die Hauptauswirkung des Christentums eine schädliche sein soll. Seine Äußerungen über das Alte Testament lassen eine Auseinandersetzung mit dem historischen Kontext vermissen. Seine Verachtung für die zentrale Botschaft über Sünde und Vergebung des Neuen Testaments unterschlägt die Tatsache, dass viele Menschen durch sie eine grundlegende Lebensveränderung erfahren haben.
Dawkins weiß durchaus um Christen, die sich bewusst für den Glauben entschieden haben, die Gründe für ihren Glauben anführen können, die den Kreationismus und ID ablehnen und die Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschung akzeptieren, die seinen Ärger über Irrationalismus und Ungerechtigkeit teilen, oder die moralisch vorbildliche Menschen sind. Doch für ihn sind sie die seltene Ausnahme und eine Abweichung von dem, was Religion ihrem Wesen nach ist. Daher ist er verblüfft über diejenigen „guten Naturwissenschaftler“, die an den „Details der christlichen Religion: Auferstehung, Vergebung der Sünden und so weiter“ festhalten (S.140). Ebenso verwundert werden so manche Leser seines Buches darüber sein, dass ein Mann seines Formates weiterhin an den Behauptungen von der Irrationalität und Schädlichkeit des Glaubens und von der Allmacht natürlicher Selektion festhält, obwohl schon von vielen Seiten Gegenargumente ins Feld geführt wurden.
Barbara Drossel
Christopher Schrader: Darwins Werk und Gottes Beitrag. Evolutionstheorie und Intelligent Design. Stuttgart: Kreuz Verlag, 2007. Pb., 138 S. ISBN 978-3-7831-2825-3. € 12,95.
Mit einiger Verzögerung ist die amerikanische Debatte um „Intelligent Design“ (ID), auch in Deutschland angekommen. Das vorliegende Buch gibt davon Zeugnis, indem es zu widerlegen sucht, dass die zentrale Behauptung der ID-Hypothese, nämlich daß die biologische Evolution nicht alleine durch natürliche Ursachen wissenschaftlich erklärbar sei, unwissenschaftlich und unhaltbar ist. Schrader zeigt auf, daß der Widerstand gegen die Evolutionstheorie religiös motiviert ist und argumentiert darüber hinaus in den abschließenden Kapiteln, daß wissenschaftliche Erkenntnis in keinem zwangsläufigen Widerspruch zu Religion stehen. Hier versucht das Buch zu vermitteln und Glauben aus der Schußlinie von Wissenschaft zu nehmen und eben auch umgekehrt wissenschaftliches Denken vor Mißverständnis seiner Vorgehensweise und einer ahistorischen Bibelauslegung zu schützen.
Damit ist die Grundlinie des Buches skizziert. Neben dieser Stoßrichtung ist noch als positiv anzumerken, daß sich endlich ein Autor die Mühe gibt, die Grundannahmen von ID tatsächlich erst zu benennen, um sie dann später zu widerlegen, anstatt, ohne sie überhaupt nur darzustellen, gleich als mittelalterlichen Unfug abzutun. Mit diesen guten Absichten und dem sehr gut gelungenen Aufbau erschöpft sich aber leider weitgehend das, was sich erfreuliches über dieses Buch sagen läßt. Vielfach schafft Schrader Fronten quer zu den eigentlichen Gräben, etwa wenn er gleich in der Einleitung in einem Atemzug ID, Sexualkundeunterricht, und eine bayrische fundamentalistische Sekte und die katholische Kirche nennt, und suggestiv in Frage stellt ob Papst Benedikt XVI. die bisherige Position der katholischen Kirche zur Evolutionstheorie beibehält. Auch die griffige undifferenzierte Kurzformel von der religiösen Motivation von ID im angeblichen Gegensatz zur reinen Wissenschaftlichkeit der Evolutionstheorie führt in die Irre, in dem sie die metaphysische Einbettung der Evolutionstheorie, so wie sie de facto immer wieder geschildert wird, unterschlägt. Die Unterscheidung von Wissenschaft und ihrer metaphysischen Basis und Implikationen wird auch an anderen Stellen über Bord geworfen, z.B. bei einer fehlgeleiteten Kritik an Dembskis Wissenschaftskritik (S. 87)….
Ebenso gravierend sind zahlreiche innere Widersprüche der Gedankenführung Schraders. Ein Beispiel ist, daß am Ende des Buches der Leser doch noch beruhigt wird, daß Papst Benedikt wohl doch nicht zum ID-Apostel wird (während die Einleitung ja gerade darlegen will, daß zukünftige Position der katholischen Kirche in dieser Frage offen sei). Ein weiteres Beispiel ist das biblische Argument, daß Gottes Gedanken höher sind als menschliche Vernuft. Auf S. 96 wird dieses Argument lächerlich gemacht, wenn es ID-Vertreter verwenden, um zu begründen, warum sie nicht erklären können, daß nicht alle biologischen Funktionen perfekt ist, obwohl sie doch von einem göttlichen Designer geschaffen seien. Auf S. 113 wird dann genau das gleiche Argument positiv beurteilt, als es von Lutz von Raden gegen ID ins Feld geführt wird, indem er den Vorwurf macht, ID-Vertreter würden Gottes Handeln der menschlichen Vernunft zugänglich machen. Dieser skurrile Fall von Selbstwiderspruch steht leider nicht alleine.
Schließlich muß man Schrader auch vorwerfen, ID nicht immer mit gültigen Argumenten zu entkräften, z.B. in Schraders Darstellung eines Zentralbegriffs von ID, der komplexen spezifizierten Information. Die von Schrader behauptete Zirkularität von Spezifikation und Intelligenz ist keine logische Zirkularität, sondern für Dembski eine Identität, und im geschilderten Zusammenhang legitim. (Illegitime Zirkularitäten im Argumentationsschema von ID treten statt dessen an anderer Stelle auf, auf die Schrader nicht hinweist). Wenn Schrader Dembski nachher noch vorwirft, „spezifierte komplexe Information und ID zu reiner Unwahrscheinlichkeit verkommen“ zu lassen, sieht man, daß er Dembski’s Zentralbegriff überhaupt nicht verstanden hat. Es ist gerade Dembski’s ausdrücklicher Punkt, daß extreme Unwahrscheinlichkeit intelligentes Design impliziert. Auch hier liegen die tatsächlichen Probleme von ID an ganz anderer Stelle. Viele der Widerlegungen Schraders sind sehr klar und treffen den Punkt, mit etlichen seiner Argumente werden ID-Vertreter jedoch leichtes Spiel haben, obwohl sie dennoch im Unrecht sind.
So bleibt zusammenfassend zu sagen, daß mit dem Buch leider die Chance vertan wurde, anhand eines brennenden Themas Aufklärung in das subtile Verhältnis von Naturwissenschaft und Glauben zu bringen. Bei besten und zu fördernden Absichten werden zu oft Klischees bedient, der eigentliche Punkt verfehlt, oder ungültig argumentiert.
Gunter M. Schütz
Martin Hailer: Glauben und Wissen: Arbeitsbuch Theologie und Philosophie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2006. Pb., 251 S. ISBN 13: 978-3-525-60427-4. € 19,90.
Der Philosophiehistoriker Heinz Heimsoeth (1886 – 1975) hat die Geschichte der abendländischen Philosophie in sechs großen Themen ihrer Metaphysik zusammengefasst: Gott und Welt, Unendlichkeit im Endlichen, Seele und Außenwelt, Sein und Lebendigkeit, das Individuum sowie Verstand und Wille. Privatdozent Martin Hailer von der Universität Bayreuth (geb. 1965) stellt in ähnlich systematisierender Weise Hauptprobleme der Philosophiegeschichte anhand von zwei Grundkonflikten zwischen Glauben und Wissen dar (S. 19?54). Den ersten Unterschied lokalisiert Hailer zwischen mythischer und philosophischer Gottesrede, den zweiten in der Differenz zwischen griechischer und christlicher Gottesrede. – Der Mythos ist nicht vom Logos abgelöst worden, wie heute vielfach geglaubt wird, sondern es gibt einen andauernden Konflikt zwischen beiden. Während Hailer den ersten Grundkonflikt an den frühesten griechischen Denkern und den Vorsokratikern illustriert, erläutert er den zweiten anhand von Blaise Pascal und an den christlichen Apologeten. Sehr schön schlägt Hailer in beiden Abschnitten eine Brücke von den Fragestellungen der Kirchengeschichte zu den verwandten Problemstellungen in der neueren Theologiegeschichte, zu Karl Barth, Wolfhart Pannenberg und anderen. Hailer will hat das Buch als Studienbuch konzipiert. Darum findet man am Ende dieser beiden sowie der folgenden Kapitel Quellentexte mit Auswertungsfragen sowie Sekundärliteratur.
Im Hauptteil (S. 55-224) konkretisiert Hailer die beiden Grundkonflikte an Beispielen aus der Geschichte von Philosophie und Theologie: Platons Theologie und Augustinus bilden den Ausgangspunkt, darauf folgen Aristoteles und die Theologie, die von ihm beeinflusst ist, besonders Thomas von Aquin. Leibniz wird mit dem Erdbeben von Lissabon 1755 konfrontiert, und die Gottesbeweise dienen als Basis zur Erörterung des Problems analoger Rede von Gott. Die Frage des Religionsbegriffs diskutiert Hailer anhand von Schleiermacher und Karl Barth, bei Hegels System wird auf den Einfluss auf Pannenberg, Barth, Jüngel und Falk Wagner verwiesen. Nietzsche ist ein Vordenker der Postmoderne. Die Hauptformen neuzeitlicher Religionskritik und ihre modernen Versionen bis hin zur Befreiungstheologie und zu Jan Assmann werden im Überblick dargestellt. Schließlich stellt Hailer die Analytische Philosophie, mit der sich die evangelischen Theologen I. U. Dalferth, D. Ritschl, G. Sauter und J. Track auseinandersetzten.
Im letzten Teil (S. 225-248) formuliert Hailer eine vorläufige Bilanz seiner Darstellung zum Konfliktfeld Glauben und Wissen. Im Streit um das rechte Wirklichkeitsverständnis spricht er sich gegen vorschnelle Harmonisierungsversuche aus; die Theologie soll ohne philosophische Stützung auskommen, weil die Philosophie die Theologie einengt (S. 236). Im Spannungsfeld Mythos – Logos ist die erzählerische Grundverfasstheit unserer Identität und unserer Lebenswelt zu berücksichtigen (S. 238).
Hailers Buch eignet sich besonders für Seminare, die in das Spannungsfeld von Glauben, Religion und Philosophie einführen wollen. Besonders die Quellenhinweise sowie das Literaturverzeichnis (S. 249-251) werden hierbei hilfreich sein. Am Ende des Buchs angelangt, stellt sich der Leser die Frage, ob nicht der Titel des Buches eine Fragestellung vermuten lässt, die über das Behandelte hinausgeht. Spätestens im 20. Jahrhundert umfassen ,Glauben und Wissen‘ umfangreichere Themengebiete als in den Jahrhunderten zuvor, und sowohl der christliche Glaube als auch die philosophische Denkbemühung machen nur noch einen kleinen – wenn vielleicht auch hintergründig wichtigen – Teil dessen aus, was Menschen im Abendland glauben, denken und um das sie sich wissenschaftlich bemühen. Das Thema Schöpfung und Evolution im Spannungsfeld von Glauben und Wissen, das Leserinnen und Leser dieser Zeitschrift besonders interessiert, wird nur peripher behandelt. – Zumindest ein größerer Exkurs zum Phänomen postmoderner Mischreligiosität und agnostischer Konsum-Ersatzreligion mit Hinweisen auf Sekundärliteratur aus Soziologie und Psychologie wäre für die zweite Auflage wünschenswert.
Jochen Eber
Susan Blackmore: Gespräche über Bewusstsein. Aus dem Englischen von Frank Born (Conversations on Consciousness. Interviews with Twenty Minds). Suhrkamp, Frankfurt/Main 2007. ISBN 978-3518- 58484-2. 380 S., 26,80 € .
Wenn Sie diese Worte lesen: Wer denkt hier eigentlich über das Gelesene nach? Ist es das „Ich“, das denkt – oder ist es vielmehr das Gehirn, das denkt? Anders gefragt: Wie hängen eigentlich die physikalischen bzw. chemischen Prozesse in unserem Gehirn mit unserer subjektiven Erfahrung des „Ichs“ zusammen, die man als Bewusstsein beschreiben kann? Zu diesen Fragen hat die Psychologin Susan Blackmore 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interviewt, die zu den renommiertesten der internationalen Bewusstseinsforscher zu zählen sind – unter ihnen Francis Crick, Daniel Dennett, Thomas Metzinger, Roger Penrose und John Searle – und hierbei die ganze Bandbreite der unterschiedlichen Positionen abdecken.
Die einzelnen Gespräche beginnen jeweils mit der Frage, wie die zugrundeliegende Problemstellung zu bestimmen sei, und beziehen im weiteren Verlauf auch die persönliche Ebene, zum Beispiel den eigenen Weg zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Frage des Bewusstseins mit ein. Dabei gelingt es Blackmore durch ihr verbindliches, manchmal auch beharrliches Fragen, auf jeweils etwa 15-20 Seiten sowohl ein auch persönliches Bild eines Forschenden entstehen zu lassen als auch im Hinblick auf das Buch als ganzes einen sehr gut verständlichen Überblick über den gegenwärtigen Stand der Diskussion zu bieten, gerade weil die Interviews in der Zusammenstellung zu sehr interessanten Vergleichen zwischen den teilweise sehr unterschiedlichen Positionen einladen.
Guy M. Clicqué
Steffen Hunder (Hg.): Kreuz-Gang durch ein Jahrhundert. Kreative Umsetzungen und spirituelle Zugänge für heute. Eingeleitet von Petra Bahr. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2007. ISBN 978-3-579-06960-9. 144 S., 19,90 € .
Das Kreuz, wichtigstes Symbol der Christen, hat Künstler zu allen Zeiten herausgefordert, sich mit ihm immer wieder auf ganz neue Weise auseinanderzusetzen. Dabei ist ein künstlerischer Dialog mit dem Kreuz, sei es im Medium eines Bildes, einer Plastik oder in noch anderen Formen, grundsätzlich ein offener Prozess, das heißt, er setzt sich fort in dem Dialog mit den jeweiligen Betrachtern des Kunstwerkes.
In einem Kunstprojekt hat der Essener Pfarrer Steffen Hunder über 50 Künstler eingeladen, ihr persönliches Gespräch mit dem Kreuz auszudrücken. Gemeinsamer Ausgangspunkt der entstandenen Kunstwerke war jeweils ein vorgegebenes Aluminium-Kreuz, eine Rahmenbedingung, die gerade die Vielfalt und Verschiedenheit der entstandenen Kreuze um so deutlicher werden lässt. Das Buch dokumentiert die insgesamt 110 entstandenen Kreuze, wobei etwa die Hälfte von ihnen eingehender vorgestellt werden und mit weiterführenden Texten versehen sind (alle 110 Bilder sind auf der beigefügten CDROM zugänglich). Auf diese Weise bietet der Band nicht nur etwas zum Schauen oder Lesen, sondern vor allem die Einladung, selbst einen persönlichen Dialog mit dem Kreuz Jesu Christi aufzunehmen.
Guy M. Clicqué
Robert Spaemann: Der letzte Gottesbeweis. Mit einer Einführung in die großen Gottesbeweise und einem Kommentar zum Gottesbeweis Robert Spaemanns von Rolf Schönberger. Pattloch, München 2007. ISBN 978-3-62902178- 6. 127 S., 12,95 € .
Kann man Gott beweisen? Wer einmal über mehrere Stunden mit einem überzeugten Atheisten über diese Frage diskutiert hat oder sich mit der eingehenden Kritik der Gottesbeweise durch Immanuel Kant bzw. Friedrich Nietzsche beschäftigt hat, wird erkannt haben, dass ein Gottesbeweis im strengen Sinne grundsätzlich gar nicht möglich ist. Dies wussten allerdings auch schon die großen mittelalterlichen Theologen Thomas von Aquin und Wilhelm von Occam; diese Verfasser der klassischen „Gottesbeweise“ verstanden ihre Gottesbeweise vor allem als Bestärkung für zweifelnde Christenmenschen.
Wenn der renommierte Philosoph Robert Spaemann nun seinen eigenen „letzten Gottesbeweis“ vorstellt, dann ist dies durchaus in einer ironischen Brechung zu verstehen, da er nur zu gut weiß, dass in dieser Frage nur Argumente, nicht aber Beweise möglich sind. Unter dieser Voraussetzung ist Spaemanns eigenes sprachanalytisches Argument durchaus originell. Allerdings umfasst sein Aufsatz nur etwa ein Fünftel der Buches: den weitaus größeren übrigen Teil nimmt ein umfassender Kommentar von Spaemanns Schüler Rolf Schönberger ein, der eigentlich als gleichrangiger Co-Autor genannt werden sollte. Dieser Kommentar bietet neben Anmerkungen zu Spaemanns Überlegungen vor allem einen grundlegenden Überblick über die Geschichte der Gottesbeweise und stellt dabei eine hervorragende und gut nachvollziehbare Einführung in die grundlegende Fragestellung der Gottesbeweise dar.
Guy M. Clicqué
Arri Eisen und Gary Laderman (Hg.): Science, Religion and Society. An Encyclopedia on History, Culture, and Controversy. Mit einem Vorwort des Dalai Lama. M. E. Sharpe, Armonk, NY / London 2007. ISBN 978-0-76568064- 8. 908 S. (2 Bände), $ 279,00 (ca. 180,00 € ).
Der Begriff der Enzyklopädie beinhaltet den Anspruch, den gesamten Bereich eines thematischen Gebiets zu behandeln und damit vor allem einen Überblick zu ermöglichen. Die englischsprachige Enzyklopädie löst diesen Anspruch auf hervorragende Weise ein und bietet in den Abschnitten „Allgemeiner Überblick“, „Historische Perspektiven“, „Schöpfung, Kosmos und der Ursprung des Universums“, „Ökologie, Evolution und die Welt der Natur“, „Bewusstsein, Geist und das Gehirn“, „Heiler und Heilung“, „Sterben und Tod“ und „Genetik und Religion“ in insgesamt 86 Kapiteln eine thematische Darstellung und Diskussion von praktisch allen gegenwärtig wichtigen Fragestellungen zu „Naturwissenschaft und Religion“. Besonders hervorzuheben ist, dass sich dabei die Perspektive über den nordamerikanisch-europäischen und christlichen Raum hinaus auf andere Religionen und Kulturen erstreckt, auch wenn dies in manchen Bereichen wie beispielsweise Ökologie/Evolution oder Neurowissenschaften mangels vorliegender Diskurse kaum zur Geltung kommt. Dass in den Beiträgen eine Vielzahl von Stimmen, Positionen und auch Definitionen von „Naturwissenschaft“ und „Religion“ deutlich werden, ist keineswegs ein Mangel, sondern entspricht einem offenen Verständnis, das einem Dialog zwischen Theologie/Religion und Naturwissenschaft entspricht, der Entsprechungen und Differenzen zwischen beiden Erkenntnisweisen gleichermaßen wahrnimmt und damit das weitere Gespräch in sehr positiver Weise unterstützen kann.
Guy M. Clicqué